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Verlängerung der Kündigungsfrist bei fortschreitender Beschäftigungsdauer

Im deutschen Arbeitsrecht ist der Schutz des Arbeitnehmers ein zentrales Anliegen. Insbesondere soll der Arbeitnehmer vor einer abrupten Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschützt werden. Eine der maßgeblichen Schutzvorkehrungen bildet dabei die gesetzlich geregelte Kündigungsfrist.


Die Grundkündigungsfrist

Die Grundkündigungsfrist gilt in der Regel nur für ordentliche Kündigungen und ist in § 622 Abs. 1 BGB geregelt. Danach kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von vier Wochen (= 28 Tage) zum Fünfzehnten oder zum Ende des Kalendermonats beendet werden. Diese Grundkündigungsfrist gilt für beide Vertragsparteien, sofern keine längere Frist vereinbart worden ist. Der Beginn der Kündigungsfrist ist der Zugang der Kündigung.

Die Kündigungsfrist wird hierbei wie folgt berechnet:

  • In Monaten mit 30 Tagen muss am 02. des Monats für eine Kündigung zum Monatsende oder am 17. für eine Kündigung zum 15. des Folgemonats gekündigt werden.
  • In Monaten mit 31 Tagen muss am 03. des Monats für eine Kündigung zum Monatsende oder am 18. für eine Kündigung zum 15. des Folgemonats gekündigt werden.

Im speziellen Fall des Februars sind sich die Kündigungsfristen wie folgt:

  • Für eine Kündigung zum 28.02., beziehungsweise im Schaltjahr zum 29.02. muss am 31.01., beziehungsweise am 01.02. gekündigt werden.
  • Für eine Kündigung zum 15.03., muss am 15.02., beziehungsweise im Schaltjahr zum 16.02., gekündigt werden.


Achtung:

Fällt das Fristende auf einen Sonn- oder Feiertag, verlängert sich dieses automatisch auf den nächstfolgenden Werktag.


Gesetzliche Verlängerungsfristen für den Arbeitgeber

Die Frist verlängert sich für Arbeitgeberkündigungen gemäß § 622 Abs. 2 BGB ab einer bestimmten Beschäftigungsdauer. Die Dauer der Beschäftigung richtet sich dabei nach dem rechtlichen Bestand des ungekündigten Arbeitsverhältnisses. Für die Berechnung kommt es demnach auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung an und nicht auf den Kündigungstermin, also den Beendigungszeitpunkt.

Die Kündigungsfristen für den Arbeitgeber verlängern sich, wenn:

  • das Arbeitsverhältnis länger als zwei Jahre bestanden hat um einen Monat zum Ende des Kalendermonats,
  • das Arbeitsverhältnis länger als fünf Jahre bestanden hat, um zwei Monate zum Ende des Kalendermonats,
  • das Arbeitsverhältnis länger als acht Jahre bestanden hat, um drei Monate zum Ende des Kalendermonats,
  • das Arbeitsverhältnis länger als zehn Jahre bestanden hat, um vier Monate zum Ende des Kalendermonats,
  • das Arbeitsverhältnis länger als zwölf Jahre bestanden hat, um fünf Monate zum Ende des Kalendermonats,
  • das Arbeitsverhältnis länger als fünfzehn Jahre bestanden hat, um sechs Monate zum Ende des Kalendermonats,
  • das Arbeitsverhältnis länger als zwanzig Jahre bestanden hat, um sieben Monate zum Ende des Kalendermonats.


Vertragliche Verlängerung für den Arbeitnehmer

Die verlängerten Kündigungsfristen gelten jedoch nicht von Gesetzes wegen für Arbeitnehmerkündigungen, außer diese wurden ausdrücklich vertraglich vereinbart. Bei individueller Vereinbarung ist jedoch beachten, dass gemäß § 622 Abs. 6 BGB für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer keine längere Frist vereinbart werden darf als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.

Davon losgelöst können die Vertragsparteien natürlich auch Kündigungsfristen, die länger als die gesetzlichen sind, im Arbeitsvertrag miteinander vereinbaren. Kürzere Fristen können hingegen nicht rechtswirksam vereinbart werden. Sieht ein Arbeitsvertrag eine Kündigungsfrist ab dem ersten Beschäftigungsjahr von drei Monaten besteht, so greift ab dem zehnten Beschäftigungsjahr automatisch die gesetzliche Regelung, da sie zu diesem Zeitpunkt günstiger ist als die vertragliche.


Tarifvertragliche Regelungen

Tarifvertragliche Regelungen können von den gesetzlichen Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers abweichen. Während der Gesetzgeber keine längere Kündigungsfrist als sieben Monate vorsieht, sieht beispielsweise der TVöD ab einer 15-jährigen Beschäftigungsdauer eine ordentliche Unkündbarkeit des Arbeitnehmers vor. Während hierdurch der Arbeitnehmer arbeitsrechtlich geschützt wird, kann dies sozialrechtlich einen Nachteil darstellen, da im Falle einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Sperrzeit droht und das Gesetz zur Verhängung dieser eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten fingiert.


Berechnung der Kündigungsfrist

Für die Berechnung der Monatsfrist zum Monatsende muss spätestens am letzten Tag des Vormonats gekündigt werden, d.h. die Kündigung zugegangen sein.

Für die Berechnung der Vierwochenfrist zum 15. oder zum Ende des Monats muss die Kündigung anhand des Kalenders exakt vier Wochen im Voraus zugegangen sein.

Beispiel:

Der Arbeitgeber möchte seinem Arbeitnehmer, der seit einem Jahr beschäftigt ist, unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist ordentlich zum nächstmöglichen Termin kündigen. Diese Entscheidung trifft er am 04.08.2025.

Der Arbeitgeber kann ihm nicht mehr fristgerecht zum 31.08.2025 kündigen, da er zum Ende des Monats nicht mehr die vier-Wochen-Frist einhalten kann. Der nächstmögliche Kündigungstermin ist daher der 15.09.2025. Die Kündigung muss dem Arbeitnehmer dann spätestens zum 18.08.2025 zugegangen sein.


Fazit

Abschließend ist hervorzuheben, dass die verlängerten Kündigungsfristen bei fortschreitender Beschäftigungsdauer insbesondere Arbeitnehmer schützen sollen, die über Jahre hinweg in einem Betrieb tätig waren. Sie sollen durch diese Regelung von einem gestärkten Kündigungsschutz profitieren und gegebenenfalls mehr Zeit zur Neuorientierung und Arbeitsplatzsuche eingeräumt bekommen.

Sollte ein Arbeitsverhältnis einvernehmlich früher als die ordentliche Kündigungsfrist es vorsieht beendet werden – unabhängig davon, ob die gesetzliche, vertragliche oder tarifvertragliche Frist einschlägig ist – drohen dem Arbeitnehmer allerdings sozialrechtliche Nachteile wie insbesondere die Verhängung einer Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld.

Die Möglichkeit des Arbeitgebers, die gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfristen vertraglich auch für den Arbeitnehmer zu vereinbaren, soll eine Waffengleichheit zwischen den Vertragsparteien herstellen. Hierbei ist zu beachten, dass der Arbeitgeber sich regelmäßig keinen Gefallen damit tut, einen Arbeitnehmer, der gehen möchte, hiervon abzuhalten und länger als von diesem beabsichtigt zu beschäftigen. Er behält sich allerdings so einen Verhandlungsspielraum, sofern der Arbeitnehmer die Kündigung absichtlich nach dem 30.06. platziert, um des Jahresurlaub zu beanspruchen.



Bickenbach, den 31.07.2025

Mitgeteilt von
RAin Lara Risberg
Dingeldein • Rechtsanwälte

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